Gudrun Hanisch

Textilgestaltung und Grafik

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Prof. Rolf Müller, Halle/Saale

Kostbare Textilien und wertvolle Stickereien spielen schon in ganz frühen Kulturen eine besondere Rolle. (...) Ausgewählte Textilien waren schon immer ein Schmuck von Königen, Kirchen und Palästen. Selbst Willy Sitte, der Lehrer von Gudrun Hanisch an der BURG, wirkte in jungen Jahren mit seinem Lehrer Peiner an der Ausstattung der Staatskanzlei. Da waren repräsentative heraldische Gobelins gefragt. Ganz anders am Bauhaus oder an der frühen BURG, wo Johanna Schütz-Wolff und Benita Koch-Otte in den 20er und 30er Jahren ohne ideologischen Anspruch Bahnbrechendes auf dem Gebiet des textilen Gestaltens leisteten. In den 50er / 60er Jahren übernahm Willy Sitte die Textilklasse an der Burg. Er pflegte den kraftvollen Ausdruck, der die Tapisserie in den Rang der freien Künste erhob, verlangte aber von seinen Studenten ebenso die methodisch klaren Schritte, die in den Jahrzehnten zuvor in der Textilklasse der BURG gegangen wurden. In diesem fruchtbar freien Umfeld, in einem sonst weitgehend begrenzten Land, waren Gudrun Hanisch und ich gemeinsam Studenten an der BURG. Hier in der Ausstellung wird eine Monotypie gezeigt, eine freie Arbeit - kraftvoll und sensibel zugleich: „InnenOrt“ ist ihr Titel. So sahen wir den Ort unseres gemeinsamen Studiums: Die BURG - ein Ort - eingefriedet - nach außen geschützt - aber im Inneren phantasievoll und lebenskräftig - untereinander vernetzt und verflochten in geistigem Austausch. (...) Breit waren die Grundlagen gelegt, und entsprechend vielfältig ist auch das Werk von Gudrun Hanisch, die später selbst als Professorin im textilen Gestalten lehrte.

Heute zeigt sie uns eine kleine Auswahl ihrer eigenen vielseitigen Arbeit als Textilkünstlerin. Größere textile Collagen mit gegenständlichem Bezug wirken durch die farbig abgestimmten nuancenreich transparenten Gewebe - konfrontiert mit dunklen grafischen Elementen, die wie bei Kathedralfenstern die Farben leuchten lassen. - In der Nähe überzeugt das vollkommen beherrschte Handwerk, und die feinen Linien der Sticknähte bereichern das Bild. (...)

Heiter bis todtraurig kommt uns das schwarze Figurentheater auf dem farbig gestreiften Grund mit theatralischen Szenen entgegen. Sie schaffen die Brücke, den schmalen Steg, vielleicht besser das schwankende Seil der Gedanken zu den Assemblagen im Kasten: Drachentöter, Rennmaus oder Mister Katz. Die merkwürdigen Gestalten aus Nichtigkeiten wie Feder, Perle oder ausgefranstem Zipfelchen dunklen Gewebes könnten dem Wunderland von Alice entnommen sein. Auch sie führen über einen rein dekorativen Anspruch der hier gezeigten Arbeiten hinaus. Mit ihrem gekonnten gestalterisch technischen, aber auch phantasievollen Anspruch ist die Ausstellung von Gudrun Hanisch wie das Blättern in einem Buch des Lebens, das von geheimnisvoller Vielfalt und auch immer von gegenwärtiger Vergänglichkeit kündet.

Halle/Saale, 15. August 2012